Das Königsgrab von Seddin

Macht und Reichtum in der Bronzezeit

Öffnung der Grabkammer am 20. September 1899, (Quelle: Archiv, Stiftung Stadtmuseum Berlin)zoom

In der an vorgeschichtlichen Grabstätten einst sehr reichen Prignitz ranken sich um zahlreiche Orte Volkssagen. Sie verdeutlichen die Verwurzelung dieser Plätze im Bewusstsein der Bevölkerung. Von drei besonders großen Hügelgräbern bei Seddin geht die Sage, dass es sich hier um die letzte Ruhestätte eines Königs namens Hinz handele. Während in zwei Hügeln sein goldener Siegelring und sein Geldschrank vergraben sei, ruhe im dritten, dem Hinzeberg, der König selbst in dreifachem Sarge.

Verbreitung der Bronzeblechamphoren vom Seddiner Typ (rot: Seddin), Quelle: Henrik Thrane: Hoards of the Danish Bronze Age (Mont. IV). Bonn 1965zoom

Seit 1850 wurden diese Grabhügel zunehmend Opfer von Steingewinnungsarbeiten, wobei zwei Hügel vollständig und der Hinzeberg teilweise abgetragen wurden. Die dabei gemachten Funde, darunter ein massiver goldener Armring und bronzene Schwerter, gingen verloren. Im September 1899 stießen Arbeiter im Hinzeberg auf eine Grabkammer und öffneten diese. Sie entdeckten dabei eines der reichsten spätbronzezeitlichen Gräber Europas, das als "Königsgrab von Seddin" bekannt wurde. Die Grabbeigaben gelangten in das Märkische Provinzialmuseum nach Berlin. Die Provinz Brandenburg kaufte den Hügel zu seinem Schutz und richtete ihn für Besucher her. Erst seit einigen Jahren werden um das Königsgrab intensive archäologische Forschungen durchgeführt, die eine Neubewertung dieses bedeutenden europäischen Kulturdenkmals und seiner engeren Umgebung zum Ziel haben. Der Hügel wurde am Ende des 9. Jh. v. Chr. errichtet. Während im Mittelmeergebiet die ersten griechischen Kolonien entstanden und in Italien die etruskische Kultur zu hoher Blüte gelangte, errichtete man in der heutigen Prignitz für die Elite monumentale Grabbauten. Mit gewaltigen 64 m Durchmesser und einer ehemaligen Höhe von ca. 10 m hebt sich der Hügel des Königsgrabes von allen anderen erhaltenen Grabhügeln Norddeutschlands ab. Auch die Kammer in seinem Inneren stellt eine große Seltenheit dar. Sie besteht aus neun aufrecht stehenden Findlingen und einem darüber aufgeschichteten "falschen" Gewölbe aus Findlingsplatten. Die Grabkammer war innen mit Lehm ausgekleidet und reich bemalt. Der Brauch, Verstorbene in Steinkisten oder kleineren Steinsetzungen zu bestatten, gehört zu den regionalen Besonderheiten der Prignitz in der späten Bronzezeit. Die Grabkammer von Seddin ist jedoch in Größe und Konstruktion einmalig und südeuropäischen Vorbildern nachempfunden.

Die zahlreichen Beigaben des Grabes aus wertvoller Bronze symbolisieren die Herrschaftsbereiche des Bestatteten als Priester (Kalenderamphore), Krieger (Schwert, Schild, Lanzenspitze) und als Handwerker (Beil, Meißel).  Zeichnung: Cornelia Zühlsdorf, BLDAM zoom
Die Bronzeblechamphore mit getriebenem Kalendarium wurde als Grabgefäß verwendet. Quelle: D. Sommer, BLDAMzoom

Nicht nur im Grabbau, sondern auch im Formenspektrum der sehr zahlreichen Beigaben des Seddiner Grabes spiegelt sich die Bedeutung des "Königs von Seddin" wieder. Als Urne der Hauptbestattung diente eine bronzene Amphore, deren in Reihen und Gruppen angeordnete Buckel als Kalendarium gedeutet werden. Derartige Amphoren sind außerordentlich selten und weisen eine europaweite Verbreitung auf. In der Amphore befand sich der Leichenbrand eines Mannes. Sie stand in einem eigens angefertigten Tonfass, das mit Tonnägeln verschlossen war. Kleinere Keramikgefäße enthielten die Reste von zwei weiteren Bestattungen, wahrscheinlich junger Frauen. Die zahlreichen, wertvollen Beigaben, die weiblichen Mitbestattungen, der gewaltige Grabhügel und nicht zuletzt die einzigartige Grabkammer deuten auf den außerordentlich hohen sozialen Status des Mannes zu Lebzeiten hin. Die Grabanlage sollte diesen Status über seinen Tod hinaus bewahren.
Viele Merkmale des Grabes, wie etwa die Beigabenzusammensetzung und die Art der Ausmalung der Grabkammer lassen intensive Kontakte nach Südeuropa, besonders nach Mittelitalien erkennen. Die Beigaben selbst sind meist einheimischer Provinienz. Das Grab ist ein hervorragendes Zeugnis früher Herrschaftsbildung am Ende der Bronzezeit. Es zeigt die soziale Differenzierung der Bevölkerung und die Existenz einer machtvollen Führungsschicht, an deren Spitze eine Zeit lang jene Persönlichkeit stand, die im Königsgrab von Seddin bestattet wurde.

Idealisierter Querschnitt durch den Grabhügel (Aquarell, entstanden 1899), Quelle: Archiv, Stiftung Stadtmuseum Berlinzoom

Der Grabhügel wird Ausgangspunkt des "Archäologischen Parkes Seddin", in dem bronzezeitliche Grabstätten, Kultplätze, Siedlungs- und Handwerksplätze der unmittelbaren Umgebung für Besucher erschlossen werden sollen. Darüber hinaus ist die Errichtung eines Informationszentrums zur Bronzezeit geplant.

Download der Tafel Seddin (1,94 MB)                                                            Text: Thomas Hauptmann/BLDAM

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